Habt ihr das gewusst: die Purpurhändlerin Lydia ließ sich nicht nur vom Missionar Paulus taufen, sondern war auch der erste Mensch in Europa, der überhaupt christlich getauft wurde? Lydia wurde also zur ersten Christin Europas.
Sie lebte im 1. Jahrhundert in Philippi, im heutigen Griechenland, und gehört zu den bedeutendsten Frauen des Neuen Testaments. In der orthodoxen und römisch-katholischen Kirche wird sie als Heilige verehrt und es finden sich viele Heiligenbilder mit der griechischen Inschrift 'Heilige Lydia aus Philippi', so wie das Bild oben.
Was diese starke Frau mit dem Titel ihrer Predigt "Farbe bekennen" zu tun hat, erklärte uns Pfarrerin Ute Clamor am letzten Sonntag von der Kanzel aus. Hier Auszüge ihrer Predigt:
Liebe Gemeinde!
„Farbe bekennen“ – bedeutet so viel wie „sich zu einer Sache bekennen“ oder „seine Meinung offen sagen“. Der Ausdruck kommt aus dem Bereich des Kartenspiels und ist seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich. Um eine, die Farbe bekennt, geht es in dieser Predigt.
Die Dame heißt Lydia. Lydia war, so hat es uns Lukas in der Apostelgeschichte überliefert, die erste Christin Europas. Doch lassen wir sie jetzt einfach selbst zu Worte kommen:
"Ich bin Lydia, stellt sie sich vor. Ich stamme aus Thyatira, einer Stadt, die für ihre Stoffe und Wollfärberei berühmt ist. Das hat mich immer interessiert und fasziniert. Purpurhändlerin wollte ich werden. Nur, das war schwierig, denn als Frau Handel zu treiben - das war in meiner Heimatstadt unmöglich. Und so entschloss ich mich, hierher nach Philippi zu gehen.
Aber ich will hier nicht nur von meinem Beruf erzählen, sondern vielmehr von meiner "Berufung".
Und das kam so: In der ersten Zeit stand ich dem jüdischen Glauben nahe, war also eine sogenannte "Gottesfürchtige", ohne aber zum jüdischen Glauben übergetreten zu sein. Aber der Gedanke an den EINEN Gott hat mich beschäftigt. Ich wollte mehr darüber erfahren.
Deshalb habe ich mich auch regelmäßig mit anderen draußen vor der Stadt am Fluss getroffen. Eines Tages an einem Sabbat kamen wir wieder einmal zusammen, um Gottesdienst zu feiern - aber wir waren - wie so oft - nur Frauen - und da kann kein ernstzunehmender Gottesdienst gefeiert werden - ohne Männer: undenkbar!
Aber da tauchten doch tatsächlich ganz plötzlich einige Männer auf - Fremde, die wir noch nie gesehen hatten. Ihr Wortführer war ein kleiner Mann, er schien auf den ersten Blick ein wenig unbeholfen, war sichtlich nicht ganz gesund, und ein Redekünstler schien er auch nicht zu sein. Er stellte sich als Paulus vor. Sie seien von weither gekommen, um von einem Mann namens Jesus von Nazareth zu erzählen. Vor einiger Zeit habe er, Paulus, einen Traum gehabt: Da hätte ein Mann aus Mazedonien gestanden und ihn gebeten: "Komm herüber und hilf uns!"
Nun war er ganz überrascht, dass er hier keine Gemeindeversammlung mit Männern vorfand, sondern nur Frauen und mich, eine Frau, der es augenscheinlich an nichts fehlte, die scheinbar gar keine Hilfe brauchte.
Aber trotzdem: sofort erklärte er sich bereit, Gebet, Lesung und die Auslegung zu übernehmen. Und dann begann Paulus zu predigen, von seinen Erfahrungen mit Jesus zu erzählen. Und wie gebannt hörte ich zu, ich konnte gar nicht anders. Wie Schuppen fiel es von meinen Augen: Das betrifft ja dich selbst!
Ich glaube, in diesem Moment hat Gott mich bis ins Innerste verändert.
Ich kann es nicht mit Worten beschreiben. Das muss man selbst erleben.
Aber sehen Sie: Als Purpurhändlerin verstehe ich etwas vom Farben und Färben.
Ich weiß, dass ein bisschen Abfärben bei einem Stoff nicht genügt. Er muss ganz von der Farbe durchdrungen sein, und dann muss die Farbe auch fixiert werden.
So blieb ich keine leicht religiös eingefärbte Frau wie bisher, sondern wurde zu einer überzeugten Christin, zu einer, die Farbe bekennt - und ich erlebe, wie das auf andere abfärbt.
Deshalb habe ich mich taufen lassen, und alle, die zu meinem Haus gehörten, ebenso, und weil unser neues Leben auch auf andere abfärben sollte, brauchten wir einen Treffpunkt. Ich habe darauf bestanden, dass mein Haus Treffpunkt der Christen in Philippi wurde.
Ja, nun habe ich doch einen Herrn, aber ich erlebe den Glauben an Christus als Befreiung, und deshalb möchte ich ihm gerne dienen: Ich will mich in Zukunft mit meinem ganzen Leben, mit allem, was ich bin und habe, nach meinen Fähigkeiten und Kräften dafür einsetzen, dass andere vielleicht auch zum Glauben an Christus finden. Ich will Gottes Wort weitergeben und vertraue darauf: Mit Gottes Hilfe gelingt es dann und wann!"
Liebe Gemeinde!
Ich möchte behaupten: Ohne Paulus säßen wir wahrscheinlich heute nicht hier. Ohne Lydia vielleicht auch nicht. Aber ganz bestimmt nicht ohne das Eingreifen Gottes.
Denn es heißt hier: "Der Herr öffnete ihr das Herz". Paulus tritt hier in den Hintergrund. Und von Lydia wird auch nicht gesagt, SIE habe sich den Worten des Paulus geöffnet, sondern: GOTT hat es getan. Das heißt: Der Glaube kommt aus dem Wort, aber der Geist muss dazu kommen. Ich empfinde diese Wortwahl des Lukas an dieser Stelle als Wohltat. Es befreit mich:
Es kommt nicht auf eine brilliante Missionsstrategie an, auf beste rhetorische Fähigkeiten, auf eine tolle Predigt.
Der Missionstheologe Niles hat einmal gesagt: „Evangelism is not a program, it´s being a christian", d.h. Mission ist kein Programm, sondern heißt: Christsein.
Ich zitiere diesen Satz an dieser Stelle, weil ich den Eindruck habe, dass wir selbst oftmals in ganz ähnliche Situationen hineingeraten wie ein Paulus, in denen es nicht auf irgendwelche Brillianz ankommt, auf kluge thelogische Argumentation, sondern dass wir einfach zu erkennen geben, wer wir sind: Christen mit verantwortlichem, eindeutigem Reden und Handeln, die in jedem Menschen ein Geschöpf Gottes sehen. Die nicht einigen Menschen ihre Wprde abstreiten. Nur so ist unser Glaube glaubwürdig und kann auf andere abfärben.
Dass Lydia, nachdem sie sich hat taufen lassen, selbstverständlich als Gastgeberin auftrat, kann uns ermutigen, aus der Rolle der stummen Christen herauszutreten und Kirche und somit auch unsere Umwelt mitzugestalten- jeder nach seinen eigenen Fähigkeiten.
Paulus hat eine überraschende Erfahrung gemacht: Seine Vorstellung von der ersten Begegnung mit den Menschen in Europa traf überhaupt nicht zu: Statt einen hilfesuchenden Mann traf er eine selbständige, erfolgreiche Frau, eine Fremde noch dazu. Sein Traum wurde ganz anders wahr.
Dieser Bericht aus der Apostelgeschichte könnte uns ermutigen, uns auch offen zu halten für die Begegnung mit anderen, sie kann zu einer Begegnung mit Gottes Geist werden.
Und wir alle haben das doch bestimmt schon selbst erlebt:
Gott wirkt durch seinen Geist auch heute: überraschend und oft ganz anders als erwartet, bei uns selbst und bei Menschen (wie Lydia), bei denen wir vielleicht nie damit gerechnet hätten.
Ich wünsche uns, dass wir uns für Gottes Wort öffnen lassen, damit wir ganz durchdrungen werden von unserem Vertrauen zu Christus, und dass wir uns öffnen, so dass wir Farbe bekennen und somit unsere "Begeisterung" - durch Gottes Geist - auch sichtbar wird und abfärbt auf andere.
Dann werden wir erleben, wie sein Geist Kraft hat und neues Leben schafft.
Amen.